„Da ist megamäßig Kohle drin!“

Drei christliche Abgeordnete aus Österreich kritisieren den Werteverfall und die Geschäftemacherei bei Abtreibungen und in der Fortpflanzungsmedizin.

Vor wenigen Wochen beschloss Österreichs Parlament ein neues Fortpflanzungsmedizingesetz, das die künstliche Befruchtung für lesbische Paare, die Eizellspende und - unter Bedingungen - die Präimplantationsdiagnostik legalisierte. Aus der christdemokratischen ÖVP stimmten nur vier von 47 Abgeordneten gegen diese vermeintliche Liberalisierung. Wolfgang Gerstl ist einer von ihnen. Leicht gemacht habe er sich das nicht, berichtete Gerstl am Montagabend bei einer Veranstaltung des kirchlichen „Instituts für Ehe und Familie" (IEF) und des „Internationalen Theologischen Instituts" (ITI) in Wien. „Aber je tiefer ich in die Materie ging, desto klarer wurde meine Ansicht." Dass ausgerechnet die Frauen in der ÖVP heute für die künstliche Befruchtung seien, irritiert ihn. „Nicht alles, was technisch möglich ist, muss auch gut sein - aber man muss rechtzeitig draufkommen", sagt Gerstl und zieht die Parallele zu Albert Einstein, der seine Mitwirkung an der Entwicklung der Atombombe später bereut habe.

Gerstl plädiert für „eine neue Streitkultur" und sieht Deutschland als Vorbild, weil in Berlin jahrelang ohne Fraktionszwang über bioethische Themen kontrovers debattiert werde. Seiner ÖVP ist er dankbar, „dass es möglich war, anderer Meinung zu sein".

Der FPÖ-Abgeordnete Andreas Karlsböck stimmte mit seiner Fraktion gegen das Fortpflanzungsmedizingesetz, räumt aber ein, dass es auch innerhalb der FPÖ Diskussionen gegeben habe. Seine Position ist eindeutig: Die Eizellspende führe zur „Kommerzialisierung des weiblichen Körpers". Es sei „inakzeptabel, Kinder zur Ware zu degradieren", darum rüttle das neue Fortpflanzungsmedizingesetz an fundamentalen christlichen Grundwerten. „Stets kommen diese Vorschläge im edlen Gewand des Fortschritts", sagte Karlsböck, der im Zivilberuf Zahnarzt ist. Er rief dazu auf, Fehlentwicklungen gemeinsam zu bekämpfen, und nannte als Beispiele die Aushöhlung der „traditionellen Familie als Kern der Gesellschaft", das noch in diesem Jahr zur Abstimmung stehende Adoptionsrecht für homosexuelle Paare, und die Ausweitung der „Gender-Sprache". Karlsböck kritisierte auch das in Österreich tabuisierte „Geschäft mit der Abtreibung": 40 000 bis 80 000 Abtreibungen gebe es in der Alpenrepublik pro Jahr, im Durchschnitt für rund 450 Euro. Die Gewinne daraus würden sich drei bis vier Institute teilen.

Auch Marcus Franz vom „Team Stronach" hält es für „eine Schande", dass es in Österreich weder eine Abtreibungsstatistik noch eine Motivforschung gibt. Er nahm in Wien die „weltweite Fortpflanzungsindustrie" ins Visier, die pro Jahr 2,7 Milliarden US-Dollar verdiene: „Da ist megamäßig Kohle drin!" Es gebe einen Kapitalismus in der Gentechnik, sagte der Internist und Parlamentarier Franz und kritisierte die „industrialisierte Herstellung des Menschen". Das neue Fortpflanzungsmedizingesetz habe die „Büchse der Pandora" einen Spalt weit geöffnet - nun seien „viele daran interessiert, dass sie ganz aufgeht". Die schweigende Mehrheit habe schon zu lange geschwiegen. Marcus Franz meint, der Westen sei einer großen Täuschung aufgesessen, indem er Liberalismus und Beliebigkeit verwechselte. „Was den ,Islamischen Staat‘ am Westen stört, ist nicht der Glaube an Jesus Christus, sondern die Wertelosigkeit!"

Dass Europa der „Kontinent des größten Werteverlustes" sei, meinte auch Wolfgang Gerstl. Er warnte etwa: „Die Linken wollen die Öffnung zur ,Tötung auf Verlangen‘." Andreas Karlsböck rief auf, homosexuelle Partnerschaften nicht mit der Familie gleichzusetzen, das Adoptionsrecht für Homosexuelle im Namen des Kindeswohls zu verhindern, sowie echte Wahlfreiheit für Mütter durch die Einführung eines Familiensplittings (optional zur in Österreich geltenden Individualbesteuerung) zu schaffen. Mit all diesen Forderungen sind die drei Parlamentarier im österreichischen Parlament - und teilweise in ihrer eigenen Fraktion - klar in der Minderheit. Immerhin: Für einen Gebetsraum im Parlamentsgebäude scheint es eine Mehrheit zu geben.

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Hinweis:

Dieser Artikel ist der überregionalen Zeitung „Die Tagespost - Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur" entnommen. Die Darstellung erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung der Johann Wilhelm Naumann Verlag GmbH.