26.11.2018,
Die prophetische Vision von Humanae Vitae und Veritatis Splendor versus die „Banalität des Bösen“.
Am 15. und 16. November fand an der Hochschule Trumau ein internationales Symposium statt, das sich gemäß Tagungskonzept vorgenommen hatte, den uneingeschränkten Wert, den diese Enzykliken aufweisen, um das Menschsein verstehen zu können, durch eine Befundung der gesellschaftlichen Realität zu dokumentieren. Neben einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der Lehrschreiben stand u.a. die Situation in Afrika, in Lateinamerika, in China und in den USA im Fokus.
„Während wir hier zusammengekommen sind, um die prophetische Enzyklika Humanae vitae zu feiern, zu diskutieren und in der Tiefe zu analysieren, findet ein anderes Treffen statt, das weit größer ist als das unsere, das hochdotiert und prominent besetzt die Verbreitung künstlicher Empfängnisverhütung propagiert.“, beginnt Obianuju Ekeocha ihren viel beachteten Vortrag an der Hochschule Trumau bei Wien über die Auswirkungen der Verhütungsmittel-Industrie in Afrika. Seit 2009 finde diese internationale Konferenz über „Family Planning“ (ICFP) alljährlich unter Einbindung des „Bill und Melinda Gates Instituts“ der John Hopkins Universität, westlicher pharmazeutischer Unternehmen, westlicher staatlicher Entwicklungshilfe, westlicher gemeinnütziger Stiftungen und westlicher Abtreibungsorganisationen in Afrika statt. „In den letzten beiden Jahrzehnten hat die entwickelte Welt 106,2 Mrd. Dollar in die Entwicklungsländer investiert, um das Bevölkerungswachstum einzudämmen.“, so die in London und Nigeria ausgebildete Mikrobiologin, die die Organisation „Culture of Life Africa“ ins Leben gerufen hat. 2012 habe sie einen offenen Brief an Melinda Gates gerichtet, die 4,6 Mrd. Dollar investiert habe, um in Nigeria eine künstliche Verhütungsmaschinerie aufzubauen. Jährlich würden 9 Mrd. Dollar in Afrika investiert, um einen „imaginären Kampf“ gegen die Fruchtbarkeit afrikanischer Frauen zu führen. Eines der sichtbarsten Zeichen dieser Investitionen seien die riesigen Plakatkampagnen, die für Kondome und künstliche Verhütung werben würden. In sämtlichen afrikanischen Ländern würden die Hauptstraßen mit diesen Werbeplakaten zugepflastert, hinzu kämen spezielle und gezielte, von der UNO mitfinanzierte Veranstaltungen und Schulungsprogramme für die Jugend.
Angesichts der zerstörerischen Aids-Epidemie, die gedroht habe, Uganda nahezu auszurotten, habe man zu drastischen Maßnahmen gegriffen und landesweit eine auf Aufklärung, Selbstkontrolle, Abstinenz und Treue basierende Strategie entwickelt, die in Ausnahmefällen Kondome für diejenigen zugelassen habe, für die Vorgenanntes unlebbar gewesen sei (wie z.B. für Sexarbeiterinnen). „Innerhalb weniger Jahre war der Wandel sichtbar vollzogen. Dieser zeigte sich auch im WHO Bericht über Aids von 1989 und 1995.“, führte Ekeocha aus. Es habe eine Reihe von Experten gegeben, die ehrlich genug gewesen seien, diesen Wandel tatsächlich zu sehen und anzuerkennen. Einer davon sei Professor Edward Green gewesen, der seinerzeit das Harvard „Aids-Präventions-Projekt“ geleitet habe.
Die Kulturen Afrikas seien unter Beschuss, nicht mit Waffen, sondern mit Latex, Implantaten, Metallen, Injektionen, Pillen und Chemikalien, die in die Wasserversorgung und in die Landwirtschaft gelangen und wesentlich zur Verseuchung der Umwelt beitragen würden. Es sehe so aus, als würde es einen regelrechten „Krieg“ gegen die afrikanischen Frauen und ihre Fruchtbarkeit geben, geführt von wohlsituierten, reichen westlichen Investoren.
Ekeocha beendete ihre Ausführungen mit einem drastischen Vergleich: Es gebe drei Möglichkeiten an einem Essen teilzunehmen – als Gast, als Kellner und als „Speise“. „Afrika ist nicht mehr länger die Speise!“
In Lateinamerika seien ähnliche Entwicklungen wie in Afrika im Gange, aber es würden sich auch Tendenzen wie im Westen zeigen, leitete der Philosoph und Bildungsexperte Carlos Beltramo seine Ausführungen ein. Er studierte in Mexiko und Spanien, arbeitet an der Universität von Navarra am „Institut für Kultur und Gesellschaft“ (ICS) und ist akademischer Leiter der Allianz für die Familie in Lateinamerika. „Die Geburtenraten sinken. Eine neue, noch unveröffentlichte Studie zeigt, dass die Geburtenrate 1975 bei 4,77 Kindern pro Frau lag. Bis 2015 sank diese bereits um mehr als die Hälfte. Heute kann man sagen, dass Lateinamerika am unteren Level des Generationenwechsels angekommen ist.“, erörterte der Vortragende. Die Aufklärungskampagnen in den Schulen würden die Kinder bereits lehren, dass der beste Weg, um Wohlstand zu erreichen jener sei, lediglich zwei Kinder zu bekommen. Das sei die Modell-Familie. Die immer stärker werdende Kontrolle des Bevölkerungswachstums suggeriere den Menschen, dass die dem Modell entsprechende „beste Familie“ auch die „einzig akzeptable“ sei. Für viele Paare sei natürlich auch die schlechte wirtschaftliche Situation ausschlaggebend, weniger Kinder zu bekommen, so Beltramo. Man dürfe jedoch auch nicht vergessen, dass z.B. in Kolumbien die künstliche Empfängnisverhütung über viele Jahre in den Schulen intensiv gelehrt wurde. „Kolumbien war ein Pionier auf dem Gebiet der liberalen sexuellen Erziehung.“ Die Menschen würden die künstliche Verhütung praktizieren, ohne darüber nachzudenken. Sie sei gesellschaftlicher „common sense“. Was die Rolle des Staates und seine Familienpolitik anbelange, so zeige sich diese auch daran, dass keines der 18 spanischsprachigen Länder ein Familienministerium oder Staatssekretariat von Bedeutung habe. Nur 2 Länder, Argentinien und Guatemala, hätten ein Sub-Sekretariat (zweite Ebene bürokratischer Bedeutung) und vier Länder lediglich ein Büro.
„Ecuador hatte einen ‚Plan Familia‘ bei dessen Erarbeitung auch unser Institut involviert war. Die neue Regierung eliminierte 2017 dieses Konzept und ersetzte es durch ein ‚Office‘ für Gender-Ideologie in der Bildung. Genderideologie fördert sexuelle Beziehungen, indem sie die Bedeutung des Begriffes ‚Verantwortung‘ verzerrt. Für Gender-Ideologen bedeutet ‚verantwortlich‘ handeln immer Verhütung.“ Solange der Staat diese Ideologie systematisch als „die richtige Vorgehensweise“ verbreiten würde, werde den großen Familien in Lateinamerika die Basis entzogen. Familien mit vielen Kindern seien mittlerweile auch Diskriminierungen ausgesetzt. Die argentinische Regierung unterstütze Familien bis zu einer gewissen Größe mit einem bestimmten Betrag für jedes Kind. „Familien, die mehr als vier Kinder haben, wird nicht geholfen.“ Für Großfamilien ist es außerdem viel schwieriger, einen Bankkredit zu erhalten. Auch der für viele Kinder erschwerte Zugang zur Bildung sei ein Grund, weshalb die Familien weniger Kinder bekämen. Aber das werde von den Regierungen nicht gesehen. Selbst die Kirche zeige eine indifferente Haltung in dieser Frage.
Einen Einblick in das „unbestreitbare Übel“ ermöglichte der via Skype zugeschaltete David Daleiden mit seinem Bericht über die Praktiken von „Planned Parenthood“, einer der größten Abtreibungsorganisationen weltweit. Sie beherrsche 40% des US-amerikanischen Marktes, der Umsatz liege bei 500 Millionen Dollar und täglich würden an die 320 Abtreibungen durchgeführt. Seit einigen Jahren sei die Organisation dazu übergegangen, mit dem Verkauf von Babyteilen und Organen einen richtigen Geschäftszweig zu entwickeln. Daleiden gründete 2013 das „Center for Medical Progress“ und startete eine „under-cover“-Untersuchung, die er auch filmisch festhielt. An dieser Stelle sei die Bemerkung Hannah Arendts über die „Banalität des Bösen“ als Kommentar zu einem Verkaufsgespräch erlaubt, das Daleiden dokumentierte. Zu sehen war eine Mitarbeiterin von „Planned Parenthood“, die beim Essen in aller Ruhe mit einem potentiellen Käufer die entsetzlichen Details über die Gewinnung der Organe bespricht. Bei der Tötung des Embryos sei sorgfältig darauf zu achten, dass die Organe unbeschadet blieben! So werde von einem Labor eine Baby-Leber für 17.000 Dollar gekauft, ein Betrag, der ausreichen würde, um die werdende Mutter davon zu überzeugen, ihr Kind zu behalten.
Überaus berührend, authentisch und klar war im Gegensatz dazu das Zeugnis des niederländischen Ehepaares Joris und Carolijn van Voorst tot Voorst, die vor allem darüber berichteten, wie sie als Paar im Laufe ihrer langjährigen Ehe die natürliche Methode der Familienplanung gelebt haben. Ein Ruck sei durch den Saal gegangen und die Tür zum Leben habe sich wieder geöffnet, so ein Teilnehmer der Konferenz.
Die Fallhöhe zwischen der gesellschaftlichen Realität und dem, was Leben und Dasein von Gott her gesehen ausmache, werde durch die Kontinuität der päpstlichen Lehrschreiben bis hin zu „Amoris Laetitia“ deutlich, so der Tenor der Konferenz. Die Ursache des „materialistisch orientierten Blicks“ auf den Menschen liege in der Trennung des Untrennbaren, jener von „Weitergabe und Hingabe“.
Das Eins-Sein in der Liebe sei das der Ehe immanente „innere Gut“, die Kinder als Frucht dieses Eins-Seins das „äußere“, so Michael Waldstein in seinem Vortrag über den Begriff der „Natur“ im Neuen Testament und dessen Niederschlag in Humanae Vitae. Waldstein war Gründungsdirektor des Internationalen Theologischen Instituts (ITI) und lehrt heute an der Universität von Steubenville, USA. Einer der wesentlichen Gründe, mit der „Kontrazeption“ moralisch begründet werde, sei nicht die Befreiung der Frau vom „unausweichlichen Joch“ der Schwangerschaften, nicht die Überbevölkerung, nicht das Verständnis von sexueller Freiheit, sondern der gesellschaftliche Auftrag, das, was „von Natur her gegeben ist“ auf die menschliche (innerweltliche) Ebene zu ziehen und zu definieren. Dieser Prozess werde vor allem durch die enormen technischen Möglichkeiten unterstützt.
Der Dekan der Hochschule Trumau, Bernhard Dolan, Judaist und Theologe, spannte in seinem Vortrag den Bogen von der „Intention Gottes, den Menschen ins Dasein zu rufen“ (mit dem Gebot: „Seid fruchtbar und mehret euch und dem Auftrag, über die Erde zu herrschen und sie zu behüten“) bis hin zur Sintflut. Was, so der Vortragende, habe der Mensch angerichtet, dass solch drastische Maßnahme nach sich gezogen habe? Die Korruption der Schöpfungsordnung (heißt es in alten rabbinischen Texten) habe sich auf eine nicht mehr tolerierbare Art und Weise in die allererste Generation des Menschengeschlechts „eingeschlichen“, so die Deutung des biblischen Berichtes. Die Flut habe Mensch und Vieh fortgerissen, lediglich die Bewohner der Arche hätten „in einer Familienstruktur“ überlebt, um eine neue Ordnung aufzubauen. Das anhaltende sexuelle Fehlverhalten des Menschen habe die Schleusentore der Destruktion geöffnet. In diesem Kontext erscheinen die Kirche und ihre Lehrschreiben wie „die Arche“ in einem Ozean der Verwirrung. Sie würden auf „die göttliche Wahrheit über das Leben“ verweisen – „das Ja zum Leben.“ Die Vorträge zum Nachhören unter: International Symposium, 15-16 November 2018 Playlist
www.youtube.com/user/ITITrumau
(Gekürzte Version in Die Tagespost, 29. November 2018)