Für die Erneuerung der Theologie

Zum Geburtstag: Die Katholische Hochschule ITI gründet einen „Kardinal Schönborn-Lehrstuhl für Dogmatische Theologie“.

Die Hochschule Trumau bei Wien dankte am 28. Jänner 2025 ihrem langjährigen Großkanzler, Kardinal Christoph Schönborn, anlässlich seines 80. Geburtstages mit einem besonderen Geschenk: nämlich, einen Lehrstuhl im Fach Dogmatik auf seinen Namen zu etablieren. Schönborns Lehre und Verständnis von Theologie und Kirche soll dadurch aktualisiert und für die kommenden Generationen im Kontext der großen Kirchenlehrer der Ost- und Westkirche, allen voran des Hl. Thomas von Aquin, aufbereitet und lebendig gehalten werden. Hinzu komme der Katechismus, Schönborns Vermächtnis an die Weltkirche, wie der ehemalige Rektor Christiaan Alting von Geusau betonte.

Mit diesem Lehrstuhl in Trumau wird aber auch noch ein anderes, ganz persönliches Zeichen gesetzt. Es wird damit ein „Ort“ geschaffen, der die Geschichte, das Werden und den Weg dieser einzigartigen Hochschule in Mitteleuropa untrennbar mit Kardinal Schönborn verbindet. Er hat gemeinsam mit dem Gründungspräsidenten des ITI, Michael Waldstein, die Vision Papst Johannes Pauls II. verwirklicht. Die tragenden Säulen dieser Hochschule sind das Studium der Theologie als Ganzes an Hand der personenzentrierten Seminarmethode, kleine Klassen, das Lesen der Quellen und Originaltexte, die Internationalität und die gelebte Weltkirche.

Kardinal Schönborn ist einer, der die theologische Vision des Lehrplanes sowie die Lehrmethode mit-geprägt hat, der im Interesse der Erneuerung der Theologie Lehrende und Studierende immer wieder dahingehend inspirierte, Theologie und Heiligkeit unter dem Motto „Theologie auf den Knien“ zu verbinden.

Für die Finanzierung dieses Lehrstuhles wird eine Stiftung eingerichtet, zumal das ITI sich ja nahezu zur Gänze von Spenden und Studienbeiträgen finanziert.

 

Die Ankündigung dieses Lehrstuhles war eingebettet in einen fulminanten Festakt mit Symposium, Heiliger Messe und einem gesetzten Dinner für 150 Personen aus Kirche und Gesellschaft, bei dem die Gäste von Studierenden der Hochschule bedient wurden. „Das ITI ist nicht nur Veranstalter, es ist in erster Linie Gastgeber und wir alle dienen den Menschen, die zu uns kommen. Dieser Einsatz ist neben dem Studium für die Studierenden ein wertvoller Dienst an den Menschen und entspricht der Philosophie der Hochschule“, so Rektor Bernhard Dolna.

Welchen Beitrag kann das Judentum zur christlichen Theologie leisten?

Im Beisein kirchlicher und weltlicher Prominenz fand ein Symposium mit Rabbiner Alon Goshen-Gottstein, dem Gründer und Leiter des Jerusalemer Elijah Interfaith Institutes, statt. Er war Schüler des in Deutschland ausgebildeten späteren israelischen Talmudlehre-Professors und langjährigen Präsidenten der Israelischen Akademie der Wissenschaften, Ephraim Urbach.

Unter den Zuhörern fanden sich u.a. Erzbischof Cyril Vasil (Kosice), Bischof Klaus Küng, Abt Maximilian Heim vom Stift Heiligenkreuz, die Weihbischöfe Franz Scharl (Wien) und Milan Lach (Bratislava), Rektor Wolfgang Klausnitzer der Hochschule Heiligenkreuz, Vertreter des Niederösterreichischen Landtags und des ITI-Stiftungsrates (Board of Trustees), angeführt von Jean-Baptiste de Franssu, der u.a. seit 2014 den Aufsichtsrat der Vatikanbank IOR leitet, sowie Mitglieder des ITI-Freudeskreises „Chancellor's Council“ unter der Leitung von Georg Starhemberg.

Die Beziehung der Hochschule Trumau zum Judentum ist in zweifacher Weise gegeben, einerseits durch Kardinal Schönborn selbst und andererseits durch den derzeitigen Rektor, Bernhard Dolna, ausgebildeter Judaist. Rektor Dolna erwähnte im Gespräch, dass Kardinal Schönborn „sich schon immer mit jüdischem Leben und Schicksal, seinen Identitäts- und Existenzfragen beschäftigt hat, schon aufgrund seiner familiären Herkunft. Und die Fragen des Verhältnisses von Judentum und Christentum liegen ihm am Herzen. Er hat aber auch das Fehlen jüdischen Denkens und Lebens in den theologischen Studien wahrgenommen und gespürt, vor allem im Bereich der Auslegung der biblischen Schriften. Was ihn besonders bewegte und bewegt ist die Suche nach dem Verständnis der Person Jesu, dem Sohn Gottes im Neuen Testament. Und er scheute sich nicht zu sagen, dass die christliche Glaubensformel des Konzils von Chalkedon ‚Jesus Christus vere Deus - vere homo‘ ergänzt werden müsse und zwar in dieser Weise: ‚Vere Deus - vere homo - vere homo judaeus‘.“

Der Rabbiner wies in seiner Rede darauf hin, dass die explizit jüdische Schriftauslegung, die jüdische Sichtweise, eine fruchtbare Inspiration und Ergänzung für die christliche Auslegungstradition sein würde. Weiters betonte er, dass gerade die Beschäftigung mit dem zeitgenössischen Judentum, mit dessen gelebter Tradition, die im christlichen Verständnis eher vernachlässigt werde, inspirierend sein könnte.

Max Bruchs „Kol Nidre“ als Überleitung zu Thomas von Aquin

Die denkwürdige Verbindung zwischen dem Festakt in Trumau und dem Gedenken an die Befreiung Auschwitz‘ vor 80 Jahren am Tag davor, darf nicht unerwähnt bleiben. Die bekannte Schauspielerin, Musikerin und Sängerin Gabriele Schuchter intonierte das „Kol Nidre“ von Max Bruch auf dem Cello.

„Diese uralte Gebetsmelodie aus der Liturgie des Versöhnungstages, des höchsten Feiertages des Judentums, erinnert mich“, so der Rektor, „an die Worte des Oberrabbiners von Rom, Eugenio Zolli, der sich im Februar 1945 (vor 80 Jahren) katholisch taufen ließ, nachdem ihm Ende September 1944 während der Liturgie des Versöhnungstages in einer Vision in der großen Synagoge in Rom Jesus selbst erschienen war. ‚Die Bücher der Heiligen Schrift und das Wort des Gebetes enthalten viel mehr als das, was in ihnen geschrieben steht; auch unsere Seele hat uns unbekannte Tiefen. Auf den heiligen Seiten und in unserer Seele gibt es Melodien, die wir nicht hören, in den Räumen der Welt gibt es Melodien, die niemand wahrnimmt, weil es für den Menschen so schwer ist, sie zu erlauschen. Wie sehr weine ich um diese Schönheit, die uns verloren gegangen ist, wie sehr sehne ich mich nach Liedern ohne Worte, nach süßen Harmonien, die unsere sein könnten und es nicht sind.‘“

Rektor Dolna fasste die Tragweite dieses Augenblicks so zusammen: „Aber in diesem Moment hatten wir das Privileg, solche Harmonien aus einer unergründlichen Tiefe des Gebets ohne Worte zu hören. Was für ein außergewöhnlicher Moment, erfüllt von dem mächtigen Geheimnis der Vergebung und Versöhnung“.

Ein historischer Tag – ein denkwürdiger Moment

Im Anschluss daran blickte Kardinal Schönborn als Lehrer auf den Tagesheiligen, Thomas von Aquin, und legte mit der gesamten Festgemeinde aus der Summa Theologiae Secunda Secundae die  Questio 23 aus, nämlich die Frage, ob die Caritas Freundschaft sei.

Nach der Heiligen Messe in der byzantinischen Kapelle der Hochschule ließen die drei ehemaligen Rektoren - Michael Waldstein, Msgr. Larry Hogan und Christiaan Alting von Geusau - die Geschichte der Hochschule nochmals Revue passieren.

Kardinal Schönborn wird auch als Emeritus der Hochschule verbunden bleiben: als Lehrer und als Freund!